Die US-Patentbehörde (USPTO) hat einen Notice of Proposed Rulemaking (NPRM) veröffentlicht, der die Einleitung von Inter-Partes-Review (IPR)-Verfahren vor dem Patent Trial and Appeal Board (PTAB) deutlich einschränken würde. Ziel ist es, Wiederholungs- und Parallelangriffe auf bereits erteilte Patente zu reduzieren. Damit will das USPTO die Vorhersehbarkeit und Fairness im Patentsystem erhöhen. Die Frist für Stellungnahmen endet am 17. November 2025. Kommentare können über das Portal www.regulations.gov eingereicht werden.
Begriffe und Verfahren kurz erklärt
- IPR (Inter-Partes-Review): Ein Verwaltungsverfahren vor dem PTAB, mit dem die Gültigkeit erteilter US-Patente angefochten werden kann. Grundlage sind die US-Vorschriften 35 U.S.C. §§ 102 (Neuheit) und 103 (Naheliegen oder fehlende erfinderische Tätigkeit).
- PTAB (Patent Trial and Appeal Board): Ein Spruchkörper innerhalb des USPTO, der über solche Anfechtungen entscheidet.
- NPRM (Notice of Proposed Rulemaking): Der offizielle Entwurf einer neuen Regel, zu dem die Öffentlichkeit Stellung nehmen kann.
- USPTO-Direktor: Ab 20. Oktober 2025 entscheidet der Direktor der Behörde selbst, ob ein IPR-Verfahren überhaupt eingeleitet wird.
Inhalt des neuen Vorschlags
Der Regelungsvorschlag sieht vier Kernpunkte vor. Erstens müssen Antragsteller künftig eine Stipulation abgeben, also schriftlich erklären, dass sie keine parallelen Gültigkeitsangriffe auf dasselbe Patent in anderen Foren (z. B. US-Gerichte oder ITC) verfolgen. Zweitens soll das USPTO kein IPR mehr zulassen, wenn die Patentfähigkeit der betroffenen Ansprüche bereits entschieden wurde. Drittens soll ein IPR nicht eingeleitet werden, wenn ein anderes Verfahren voraussichtlich früher über dieselbe Frage entscheidet. Viertens bleibt dem USPTO ein Ermessensspielraum: Bei sogenannten “exceptional circumstances” kann ein IPR trotz dieser Hürden eingeleitet werden.
Parallel dazu hat das USPTO eine frühere Regel zur sogenannten “discretionary denial” zurückgezogen und die neue Linie eingeschlagen. Künftig sollen IPRs seltener gewährt werden, dafür aber klarer und einheitlicher.
Auswirkungen auf die Praxis
Der Vorschlag würde das System grundlegend verändern. Bereits entschiedene Patente würden stärker geschützt, während neue Anträge nur dann Aussicht auf Erfolg hätten, wenn sie frühzeitig gestellt werden. Für Unternehmen bedeutet das: Das Zeitfenster, in dem ein IPR sinnvoll eingeleitet werden kann, wird deutlich kleiner.
Für Patentinhaber ist dies eine gute Nachricht. Wiederholte oder taktisch gestaffelte Angriffe auf ein Patent werden schwieriger. Dadurch steigt die Rechtssicherheit und Verhandlungsposition gegenüber Lizenznehmern und Wettbewerbern. Wer als Unternehmen oder Kanzlei US-Patente verteidigt, kann künftig mit weniger parallelen Verfahren und einer schnelleren Stabilisierung der Schutzrechte rechnen.
Für potenzielle Beklagte dagegen wird das Verfahren risikoreicher. Wer spät in den US-Markt eintritt oder erst später verklagt wird, kann möglicherweise kein IPR mehr einreichen, wenn andere Beteiligte bereits eine gerichtliche Entscheidung erwirkt haben. Gerade für europäische Zulieferer, deren Produkte in den USA verbaut oder weiterverkauft werden, ist dies ein entscheidender Punkt: Entscheidungen anderer Marktteilnehmer können die eigenen Verteidigungsmöglichkeiten blockieren.
Hinzu kommt: Wer ein IPR beantragt, muss gemäß der neuen Regel auf alle Einwände nach § 102 und § 103 in Gerichtsverfahren verzichten. Die Wahl des Forums wird damit zu einer strategischen Entscheidung. Unternehmen müssen sich frühzeitig festlegen, ob sie ihre Einwände lieber vor dem PTAB oder vor einem Distriktgericht vorbringen wollen.
Bedeutung für europäische Unternehmen
Europäische Patentinhaber, die in den USA schützenswerte Technologien vertreiben oder lizenzieren, profitieren von der geplanten Regelung. Der Schutz ihrer Patente wäre beständiger, und die Gefahr, dass Dritte wiederholt gegen dieselben Ansprüche vorgehen, würde abnehmen. Das kann insbesondere bei Lizenzverhandlungen ein Vorteil sein.
Für europäische Unternehmen, die in den USA tätig sind oder dorthin exportieren, ist die Situation dagegen komplexer. Sie sollten bereits beim ersten Hinweis auf ein US-Patentprüfen, ob ein IPR sinnvoll und noch möglich ist. Ein zu später Antrag könnte an der neuen Sperre scheitern. Auch in Lieferketten kann es notwendig werden, sich mit Partnern in den USA abzustimmen, damit keine Entscheidungen getroffen werden, die eigene Verteidigungsoptionen ungewollt ausschließen.
Warum Patent-Monitoring jetzt noch wichtiger wird
Mit den geplanten Änderungen steigt der Wert eines frühen Informationsvorsprungs erheblich. Unternehmen sollten ihre bestehenden Patentüberwachungssysteme prüfen und gegebenenfalls ausbauen. Besonders wichtig ist eine Überwachung von US-Verfahren, PTAB-Datenbanken und ITC-Fällen. Nur so kann rechtzeitig erkannt werden, ob ein Patent bereits Gegenstand eines IPR oder einer gerichtlichen Entscheidung ist.
Ein gutes Patent-Monitoring umfasst nicht nur die Beobachtung von Docket-Daten, sondern auch den Status einzelner Ansprüche, laufende Vergleiche und Anzeichen für frühzeitige Settlements. Gerade diese Faktoren entscheiden, ob eine IPR-Möglichkeit offenbleibt oder entfällt. Auch die neuen Institution-Entscheidungen des USPTO-Direktors, die ab Oktober 2025 direkt veröffentlicht werden, sollten in das Monitoring integriert werden.
Handlungsempfehlungen
- Monitoring optimieren: Tägliche Überwachung von PTAB-, ITC- und US-Gerichtsverfahren sowie aller Institution-Entscheidungen des USPTO-Direktors.
- Strategie vorab festlegen: Klären, ob die Verteidigung vor Gericht oder durch ein IPR erfolgen soll, bevor ein Antrag eingereicht wird.
- Portfolio analysieren: Für Patentinhaber empfiehlt sich die Pflege klarer Claim-Landkarten, um zu erkennen, welche Ansprüche bereits angegriffen wurden und welche offen sind.
- Lieferkette koordinieren: Frühzeitige Abstimmung zwischen europäischen Unternehmen und US-Partnern, um ungewollte IPR-Sperren zu vermeiden.
- Kommentare einreichen: Die NPRM-Phase ist offen. Betroffene Unternehmen sollten überlegen, eine Stellungnahme abzugeben, um eigene Interessen einzubringen.
Fazit
Die geplanten USPTO-Regeln würden das IPR-System grundlegend verändern. Für europäische Unternehmen bedeutet das: schnellere Entscheidungen, aber auch ein engeres Zeitfenster für Verteidigung. Wer seine Patentüberwachung verbessert, bleibt handlungsfähig und kann frühzeitig die beste Strategie wählen.
Quellenverzeichnis
- Federal Register: Revision to Rules of Practice Before the PTAB (2025)
- USPTO Bulletin: USPTO advances proposed rule governing inter partes review practices
- Federal Register: Withdrawal of Discretionary Denial Rule (17.10.2025)
- Director Memo: Institution of AIA Trial Proceedings (2025)
- Patently-O: Analysis of IPR Access and Director Institution Policy
- Sterne Kessler: USPTO Proposes New IPR Rules; Director to Handle Institution Decisions
- Fish & Richardson: Overview and Comment Period Guidance
- Lexology: Impact on Litigation Strategies and Parallel Challenges